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Corona-Tagebuch: 19.6.2020

Die Lücke neu füllen

Neun Tage habe ich nun nicht mehr geschrieben. Zum einen habe ich weniger Zeit und zum anderen hatte ich das Gefühl, dass gerade eine Leere ist ein Vakuum, das sich nun erst wieder langsam füllen kann. Und da blieben mir dann einfach die Worte aus...

Nun erleben wir die letzten Tage der Zwillinge-Zeit, die dieses Jahr weniger im Außen stattfand, als in der Kommunikation im engsten Kreis. Und die war und ist gerade für mich zumindest nicht so einfach. An manchen Stellen treffen zwei Welten aufeinander und auch da fehlen die Worte.

Im Außen ploppt ständig etwas Neues an die Oberfläche, was in meinen Augen nun gesehen werden muss und will, um endlich anders gehändelt zu werden. Ständig treten Corona-Wellen in Metzgereibetrieben auf, die unter menschen- und tierunwürdigen Bedingungen arbeiten und leben. Man kann nicht mehr einfach wegschauen und das ist gut so. Auch Kindesmissbrauch schwappt immer mehr in den Vordergrund und die Aufregung über Apps vielerorts lässt die Debatte groß werden, wer sich denn von Google und Co. nicht auf eine ganz andere Weise und arglos bespitzeln lässt...Alles sehr wichtige Themen unserer Zeit im Wandel wie ich finde.



Der Neumond und gleichzeitig die Sommer-Sonn-Wende holt dann wieder zurück ins Jetzt. In Neuenbürg blüht schon das Johanniskraut, bei uns auf dem Berg lässt es noch auf sich warten. Der längste Tag ist gleichzeitig der Wendepunkt, um sich in langsamen Schritten wieder auf die Wintersonnenwende zuzubewegen. Ein ewiger Kreislauf. Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht, aber ich habe jedes Jahr um diese Zeit das riesige Bedürfnis die Zeit anhalten zu wollen.

Noch immer lassen sich manche Dinge nicht richtig planen und ich spüre, wie es mir auch gefallen hat so ohne viel Termindruck und äußere Verpflichtungen einfach nur zu sein. Das Wetter hat viele Abläufe bestimmt, so zum Beispiel auch, dass ich jetzt gerade hier schreibe, statt draußen meinen Rasen zu mähen, denn es regnet und windet.

Sich Hilfe holen ist eine Stärke

Ein persönliches Thema als Anstoß für die Leser ist mein Lernfeld: Hilfe annehmen und um Hilfe bitten.
Schon vor 20 Jahren war das eine große Erkenntnis in meinem Leben, dass ich in mir entdeckte, dass um Hilfe zu bitten in meinem damaligen Programm überhaupt nicht angelegt war. Damals war noch das trotzige "Ich schaffe das auch alleine" meines inneren Kindes aktiv. Ich dachte, das sei durch. Doch wie tief die dazu bestehenden Glaubenssätze immer noch in meinem System verankert sind und ich diese mit den Frauen meiner Familie gemeinsam habe, das wurde mir gestern nochmals schmerzhaft bewusst.
Seit drei Jahren ist Stefan nun krank und muss selbst täglich damit umgehen bei vielem, was für uns selbstverständlich ist nun Hilfe zu benötigen. Und das ist viel mehr als man sich denken kann, wenn beide Arme gelähmt sind. Da ich nun wieder arbeite habe ich mich nun gestern entschieden alle diejenigen um Hilfe zu bitten, die uns so gerne ihre Hilfe immer wieder angeboten haben und habe auf diese Weise einen Fahrdienst für Stefan ins Leben gerufen. Nach dem Abschicken der Nchricht rannen mir plötzlich die Tränen und ich spürte noch zwei Stunden lang immer wieder wieviel Selbstverurteilung, Familienmuster und Selbst-Versager-Programme im Hintergrund in mir abgelegt waren, die ich zwar schnell durchschaut und damit auch wieder die Kraft entzogen habe, aber mir wurde vieles klar. Die neue Zeit hat keinen Platz mehr für Einzelkämpfer, das ist mir klar. Wir brauchen enander und potenzieren unsere Möglichkeiten um ein Vielfaches, wenn wir das Netzwerk nutzen, in allen Bereichen. Doch für mich ist das eher Neuland und bildet sich gerade erst heraus aus dieser Leere, diesem Vakuum der Ereignisse...

Was ist es bei dir wohl?



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