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Nur für heute


Nur für heute

Seit Stefans Diagnose 2017 steht unser bisheriges Leben wie am anderen Ende des Horizonts.
Wie soll es weitergehen?

Heute, über 2 Jahre später, nimmt die Krankheit ihren gnadenlosen Verlauf und dennoch ist es ein langsamerer, als es auch sein könnte und jeder Tag erfüllt uns trotz alller Anstrengung, Sorge und Angst doch immer wieder mit großer Dankbarkeit.

Ich wagte den Sprung in eine Ausbildung, um mich aus meiner lebenslangen Selbstständigkeit, die mein Herzblut ist und dennoch ein finanzieller Unsicherheitsfaktor in unserer Situation, noch ein festes Gehalt entgegen zu setzen und wie es im Leben ja auch meist der Fall ist, um mich allen Herausforderungen zu stellen, die das Leben so an mich stellt. 

In dieser Woche starte ich gerade meine Rückkehr zum Schulleben und das ist auf vielen Ebenen abenteuerlich, aber auch herausfordernd.

Heute berührte mich dann ein Text so sehr, dass mir die Tränen kamen, von denen ich hoffte, dass sie keiner sah...Tja, so ganz und gar wage ich dort noch nicht bedingungslos zu mir zu stehen...Schulerinnerungen werden wach von denen ich gar nicht mehr wusste, dass es diese noch gibt.

Dieser Text ist aus dem Buch Momo von Michael Ende.

Momo, das andere Mädchen, das so gut zuhören konnte, dass die Leute sich ihr mit allem anvertrauten und sicherlich Heilung dadurch geschah. Ich muss es mal bei Gelegenheit wieder lesen.

Beppo, der Strassenfeger vermittelt hier eine Weisheit, die zu einer Überschrift in unserem Leben wurde, die wir uns stets neu sagen: 
"Nur für heute!" 
Ein Satz der Zwölf-Schritte, der schon einmal meinem Leben eine große Kraft gab. 
Und weil es eine so schöne Geschichte ist, könnt ihr sie hier nochmals lesen, wenn ihr gerade ängstlich, hoffnungslos oder verzweifelt seid, um mutig weiter zu gehen und immer daran zu glauben, dass der Weg das Ziel ist und jeder Tag auf dem Weg ein eigenes Leben ist...



Beppo der Strassenkehrer

Er fuhr jeden Morgen lange vor Tagesanbruch mit seinem alten, quietschenden Fahrrad in die Stadt zu einem großen Gebäude.
Dort wartete er in einem Hof zusammen mit seinen Kollegen, bis man ihm einen Besen und einen Karren gab und ihm eine bestimmte Straße zuwies, die er kehren sollte.
Beppo liebte diese Stunden vor Tagesanbruch, wenn die Stadt noch schlief. 
Und er tat seine Arbeit gern und gründlich. Er wusste, es war eine sehr notwendige Arbeit.

Wenn er so die Straßen kehrte, tat er es langsam, aber stetig: Bei jedem Schritt einen Atemzug und bei jedem Atemzug einen Besenstrich. Dazwischen blieb er manchmal ein Weilchen stehen und blickte nachdenklich vor sich hin. Und dann ging es wieder weiter: Schritt – Atemzug – Besenstrich.

Während er sich so dahin bewegte, vor sich die schmutzige Straße und hinter sich die saubere, kamen ihm oft große Gedanken. 
Aber es waren Gedanken ohne Worte, 
Gedanken, die sich so schwer mitteilen ließen wie ein bestimmter Duft, an den man sich nur gerade eben noch erinnert, oder wie eine Farbe, von der man geträumt hat. 

Nach der Arbeit, wenn er bei Momo saß, erklärte er ihr seine großen Gedanken. Und da sie auf ihre besondere Art zuhörte, löste sich seine Zunge, und er fand die richtigen Worte.

 „Siehst du, Momo“, sagte er dann zum Beispiel, „es ist so: 

Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. 

Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man.“


Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: „Und dann fängt man an, sich zu beeilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.“

Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter: 

„Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? 

Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.“ Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: „Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“

Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort: „Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.“
Er nickte vor sich hin und sagte abschließend: „Das ist wichtig.“

Aus dem Buch „Momo“ von Michael Ende

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